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6. Februar 2023

Fragen an Vincent Keymer

Wir haben diese Fragen schriftlich gestellt und schriftlich beantwortet bekommen.

Frage 1:

Wir, die OSG-Baden-Baden (und sicherlich alle unsere Anhänger) sind natürlich hocherfreut, Dich als sympathischen Menschen, besten deutschen Schachspieler und frischgebackenen Vizeweltmeister im Schnellschach seit dieser Saison in unseren Reihen begrüßen zu dürfen und Dich an den Spitzenbrettern unserer Bundesligamannschaft für uns kämpfen zu sehen.

Was hat Dich bewogen, zu uns zu kommen?

Das war letztlich Teil einer längerfristigen Idee. Schon zu Beginn der Förderung durch die Grenke AG haben wir davon gesprochen, dass ich möglicherweise dann, wenn meine Spielstärke entsprechend ist, für die OSG spielen könnte. Ich habe dann vor Beginn dieser Saison das Angebot gerne angenommen und freue mich jetzt, zu dieser starken Mannschaft zu gehören.

Frage 2:

Ende letzten Jahres hast Du im Kasachischen Almaty einen sensationellen Erfolg errungen: Mit nur einem halben Punkt Abstand hinter dem Sieger, Weltmeister Magnus Carlsen, bist Du in der traditionellen FIDE-Schnellschachweltmeisterschaft zweiter geworden – einerseits eine riesen Überraschung für die Schachwelt, andererseits wissen die Fans und Kenner natürlich um Deine Spielstärke. Man muss dazu sagen: An dem Turnier hat nahezu die gesamte Weltspitze teilgenommen.

Wie ordnest Du diesen Wahnsinnserfolg in Deiner Schachkarriere ein?

Der Gewinn dieser Silbermedaille zählt für mich zu meinen größten Erfolgen. Eine Medaille bei einer offiziellen Weltmeisterschaft -wenn auch Schnellschach- zu gewinnen ist schon wirklich etwas Besonderes.

Frage 3:

Seit Dr. Robert Hübner, der in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts vier Mal WM-Kandidat war und bis auf Weltranglistenplatz drei vorgedrungen ist, hat es in Deutschland keinen Spieler mehr gegeben, der in so jungen Jahren so viel Hoffnung geweckt hat, ganz nach oben zu kommen.

Mit dem aktuellen Weltranglistenplatz 42 und Deinem jugendlichen Alter von 18 Jahren bist Du seit einiger Zeit ganz klar auf dem Weg dorthin.

Ist die Weltmeisterschaft Dein Traum und Ziel?

Das ist nichts, was ich in irgendeiner Form planen kann. Ich arbeite daran, mich weiter zu verbessern und dazu zu lernen. Was dann an messbaren Erfolgen daraus entsteht, kann ich nur abwarten.

Frage 4:

Empfindest Du die Hoffnungen und Erwartungen der Schachöffentlichkeit an Dich und die Ansprüche, die Du selbst an Dich stellst, als Druck, als Bestandteil der professionellen Erarbeitung eines Plans, gehst Du eher spielerisch damit um, oder ist es eine Mischung aus allem?

Ich empfinde den Druck von außen, also durch Öffentlichkeit, nicht sehr stark. Es ist eher so, dass mich das öffentliche Interesse freut und motiviert. Wahrscheinlich bin ich selber einer meiner strengsten Kritiker.

Frage 5:

Jeder Schachspieler, auch Du, muss im Laufe seiner Karriere immer wieder Rückschläge hinnehmen und macht Fehler im Spiel, die ihn an sich zweifeln lassen können.

Wie gehst Du damit um?

Natürlich mache ich Fehler, aber, wie Du schon sagst, die macht jeder Spieler. Das muss ich akzeptieren. Das Gute daran ist, dass die Fehler ein wichtiger Teil des Lernprozesses sind und somit zur schachlichen Verbesserung beitragen.

Frage 6:

Es ist verblüffend, wie die Schachwelt gerade von jungen oder jüngsten Talenten zwischen, sagen wir, 13 und 22 Jahren, bevölkert wird. Die meisten aus orientalischen Regionen. Alle haben im Teenager-Alter den Großmeistertitel errungen oder bekommen ihn demnächst verliehen. Und so gut wie alle wollen erklärtermaßen Weltmeister werden.

Wie erklärst Du Dir dieses Phänomen?

Vincent Keymer (Foto Gubler)

In vielen Ländern besteht ein viel größeres Interesse an Schach als bei uns. Ich habe beispielsweise bei der Schacholympiade in Chennai die unglaubliche Begeisterung vieler Inder für Schach erlebt. Das ist die perfekte Voraussetzung, um viele sehr starke Spieler hervorzubringen. Der andere Faktor ist die Möglichkeit, mit Engines zu trainieren, was es Spielern meiner Generation leichter macht schon so früh so gut zu werden.

Frage 7:

Wann fiel Dein Entschluss, Schachprofi zu werden?

Das war ein langer Prozess. Zuerst ging es um Entscheidungen, die weit in der Zukunft lagen. Am Ende hat sich alles so entwickelt, dass mir die Entscheidung wirklich leicht gefallen ist.

Vielen Dank für Deine Antworten!

Walter Siemon