Dies war eine der entscheidenden Partien des Kampfes zwischen dem OSC Baden-Baden und Eppingen beim Bundesligawochenende in Tegernsee. Alexei Shirov ist auch dieser Jahr wieder eine DER Stützen in der Baden-Badener Mannschaft. So gewann er nicht nur am Vortag gegen den amtierenden russischen Meister Evgenij Alekseev und trug somit einen wichtigen Punkt zum 6-2 Erfolg über Tegernsee bei, sondern bezwang auch in der vorliegenden Partie den israelischen GM Evgenij Postny sehr eindrucksvoll. Die Partie kann auch durchaus als Musterpartie gelten, die das "Prinzip der Zwei Schwächen" sehr anschaulich illustriert.
1.e4
e5
2.Sf3
Sc6
3.Lb5
a6
4.La4
Sf6
5.0-0
Le7
6.Te1
b5
7.Lb3
d6
8.c3
0-0
9.h3
Sb8
10.d4
Sbd7
11.Sbd2
Lb7
12.Lc2
c5
Diesen Zug hat der jugoslawische GM Svetozar Gligoric in die Praxis eingeführt.
13.d5
soweit eine der Hauptvarianten des Breyer-Systems in der spanischen Eröffnung. Weiss schliesst das Zentrum ab, sichert sich und am Koenigsfluegel Raumvorteil und sucht dort traditionellerweise sein Glueck. [Die Alternative ist natürlich 13.Sf1
]
13...c4?!
mit diesem recht modernen Zug sichert sich Schwarz dasFeld c5 fuer seinen Springer und moechte im folgenden Spiel am Damenfluegel initiieren. Im Hinblick auf diese Partie sollten die Schwarzspieler vielleicht zur traditionellen Spielweise zurückkehren, nach welcher Schwarz an dieser Stelle mit g6 fortfährt, um infolgedessen eine Auffangstellung am Koenigsfluegel mittels Sh5 einzunehmen. [13...g6
14.Sf1
Sh5
15.Lh6
Sg7
(>=15...Te8
16.b3
(16.g4?!
Sf4=/+
) 16...Lf6
17.a4
Lg7
18.Lg5
Dc7
19.g3
Shf6~~
) 16.Se3
Kh8
17.a4
Sf6
18.b3
Tb8
19.De2
Lc8
20.axb5
axb5
21.Ta7
Sg8
22.Lxg7+
Kxg7
23.Tea1
Sf6
24.Ld3
Ld7
25.Da2+/=
und aufgrund der Kontrolle über die einzige offene Linie stand Weiß in der Stammpartie dieser Variante Karpov-Gligoric Leningrad 1973,1-0(63) etwas besser ]
14.b3!?
dieses durchaus logische Aufrollen der schwarzen Bauernkette stellt das schwarze Konzept direkt in Frage. Bisher versuchten die Weißspieler in den meisten Partien ihr Glück am Königsflügel zu suchen. Der Textzzug ist indes keine Erfindung von Shirov, sondern wurde Anfang letzten Jahres von Evgenij Alekseev erstmals angewendet. [14.Sf1
ist die Hauptvariante]
14...cxb3N
[in der Vorgaengerpartie geschah 14...Dc7
doch auch hier konnte Schwarz nicht völlig ausgleichen 15.bxc4
bxc4
16.Tb1
Tab8
17.De2
Tfc8
18.La3
Sb6
19.Tb2
Sfd7
20.Teb1
La8
21.g4
Sf8?
(21...g6+/=
) 22.Sxe5!
dxe5
23.Lxe7
Dxe7
24.Txb6
Txb6
25.Txb6+-
Alekseev-Sorokin, Aeroflot Open 2006, 1-0 (33)]
15.axb3
Dc7
16.Lb2
Sb6
17.Sf1
Sfd7
18.Se3
g6
19.b4!?
ein sehr interessantes strategisches Konzept: Weiß nimmt dem schwarzen Springer das Feld c5 und verhindert a6-a5 was den Bauern a6 rückständig macht. Im Folgenden wird er bemüht sein den Vorstoß c3-c4 durchzusetzen
19...Sc4
mit diesem Abtausch versucht Schwarz sein Spiel etwas zu erleichtern
20.Sxc4
Dxc4
21.Sd2
Dc7
22.Sb3
Weiß macht sich erneut an die Vorbereitung des Hebels c3-c4
22...Sb6
23.Ld3
Shirov gibt lieber einen seinen Läufer ab, um seinem Springer das Feld a5 und später c6 zu sichern. [am Tausch der Springer nach 23.Sa5
Sc4
24.Sxc4
Dxc4
25.Ld3
Dc7~~
ist Weiß nicht interessiert. ]
23...Sc4
[Die Alternative zum Textzug bestand in 23...Sa4
wobei es nicht klar ist, welchen Läufer Schwarz eliminieren sollte 24.Dd2
(Vom Qualitätsopfer ‹24.Txa4?!
bxa4
25.Sa5
sollte Weiß besser Abstand halten, da Schwarz über den wichtigen Zwischenzug 25...a3!
verfügt. Z.B.: 26.Lxa3
(26.La1
f5!
27.exf5
Lxd5
(27...gxf5?!
28.c4©
) 28.fxg6
(28.c4
Lf7
29.fxg6
Lxg6
30.Lxg6
hxg6
31.Dd3
Kh7
32.Dxa3
Db6-/+
) 28...Da7!
29.gxh7+
Kh8
30.Tf1
Txf2!
31.Txf2
Tf8-+
) 26...Dxc3=/+
und es ist sehr fraglich ob Weiß genügend Kompensation besitzt.) 24...f5
(24...Sxb2
25.Dxb2+/=
) 25.Sa5
Lh4
(25...fxe4
26.Lxe4
Tf4
27.Sxb7
Dxb7
28.Lc1
Tc8
29.Ta3
Dc7
30.Dd3
Tf7
31.Le3+/-
) 26.Te2
(26.exf5
Lxd5~~
) 26...f4
27.f3
Lg3
28.c4+/=
]
24.Lxc4
Dxc4
[24...bxc4?!
25.Sa5+/-
]
25.Sa5
Dc7
26.Dd2
f5
27.c4
bxc4
28.Tac1
Dies ist ein weiterer kritischer Moment in dieser Partie
28...fxe4?!
[Schwarz sollte besser mit >=28...Tac8
fortsetzen und falls 29.Txc4
Db6
30.Sc6
so stünde ihm das interessante Qualitätsopfer 30...Txc6!?
zur Verfügung, was ihm zumindest aktives Gegenspiel verspräche. (nach 30...Lxc6
31.dxc6+/-
wäre der weiße Freibauer auf c6 sehr stark) 31.dxc6
Lxc6
32.exf5
Txf5©
]
29.Txe4
Tac8
30.Texc4
das ist der Unterschied im Vergleich zu 28...Tc8. Nun sind die weißen Türme bereits auf der c-Linie verdoppelt und der auf c6 eindringende weiße Springer kann nicht sinnvoll entfernt werden.
30...Db6
31.Sc6
Lf6
[31...Lxc6
32.dxc6
Tc7
33.Dd5+
Kg7
34.T4c2
Db5
35.De4+/-
]
32.Kh2
nun da Weiß den Schwarzen am Damenflügel erfolgreich eingeschnürt und dem Nachziehenden dort sozusagen die erste Schwäche zugefügt hat, bereitet er folgerichtigerweise die Errichtung einer zweiten Front und das Schaffen einer weiteren Schwäche vor. Zu dieser weiteren Schwaeche hat Alexei den schwarzen Koenig auserkoren
32...Tce8
33.f4!
Auf diese Stellungsöffnung hatte Weiß in den letzten Zügen hingearbeitet
33...exf4?
danach scheint Schwarz erstaunlicherweise schon auf verlorenen Posten zu stehen. [Die Öffnung des Spiels musste um jeden Preis verhindert werden. Nach >=33...e4!
34.Lxf6
Txf6+/=
hielte sich der weisse Vorteil noch stark in Grenzen]
34.Txf4->
nun ist der 'Hexer aus Riga' in seinem Element. Er trägt den Schlussangriff gegen den schwarzen König energisch und unnachgiebig vor. Bemerkenswert ist, dass weder die schwarze Dame noch der Läufer b7 sich an der Verteidigung ihres Herrschers beteiligen können
34...Lxb2
35.Txf8+
Txf8
36.Se7+!+-
ein wichtiges Zwischenschach, welches die unsichere Stellung des schwarzen Monarchen betont [‹36.Dxb2?!
De3~~
]
36...Kf7
37.Dxb2
Te8
[37...Kxe7
38.Dg7+
Ke8
39.Te1++-
]
38.Sc6
Kg8
das scheint forciert zu verlieren, doch es war schon schwer etwas anderes vorzuschlagen [nicht besser scheint 38...Lxc6
39.dxc6
d5
40.Da2+-
und Weiß sollte keine allzu großen Probleme haben seinen starken Freibauern c6 in einen vollen Punkt zu verwandeln; 38...De3
39.Sd8+!
Kg8
(39...Txd8
40.Tc7++-
) 40.Sxb7
]
39.Df6
Dc7
Schwarz benoetigt noch einen Zug um mittels Dd7 seine Stellung halbwegs zu konsolidieren, doch dazu wird es nicht mehr kommen [kaum besser ist 39...De3
40.Tf1
Lxc6
41.Df7+
Kh8
42.dxc6+-
]
40.Se5!
De7
[Das Schlagen des Turms hätte ein schönes Mattfinale zur Folge: 40...Dxc1
41.Df7+
Kh8
42.Dxe8+
Kg7
43.De7+
Kh6
44.Df8+
Kh5
(44...Kg5
45.Sf3+
Kh5
46.g4#
) 45.g4+
Kh4
46.Sf3#
]
41.Sg4
mit der Drohung Sh6#
41...Df8
42.Tc7
Lxd5
43.Dd4
und Schwarz gab sich angesichts der vielen weißen Drohungen geschlagen. Eine sehr schoene und sehr anschauliche Leistung von Alexei Shirov. Es kommt selten vor, dass das Prinzip zweier Schwaechen derart klar nachvollzogen werden kann und es ist eindrucksvoll, wie harmonisch die weissen Figuren beim Schlussangriff zusammenwirkten. 1-0