GM Döttling kommentiert: Nyback-Dautov, 12/2007












(1) Nyback,T (2565) - Dautov,R (2590) [D15]
BL 0708 Werder Bremen - OSC Baden Baden (5.6), 08.12.2007
[Fabian Doettling]

Die folgende Partie war nicht nur eine saubere Vorstellung unseres "Schachrentners"(Rustem ist zur Zeit hauptberuflich Pokertrainer), sondern ebenfalls ein bedeutend wichtiger Beitrag zum Baden-Badener 4,5-3,5 Erfolg über den SV Werder Bremen.

1.d4 Sf6 2.c4 c6 3.Sc3 d5 4.Sf3 a6
Rustems geliebtes "Slawisch mit a6", auch Chebanenko-System genannt.

5.a4
Dies ist eine der möglichen Hauptvarianten. An dieser Stelle ist so gut wie alles andere ebenfalls möglich. [ 5.e3 ; 5.cxd5 ; 5.Lg5 ; 5.g3 ; 5.Se5 ; 5.c5 geschah im Aufeinandertreffen der gleichen Gegner vor 2 Jahren in der Bundesliga in Hamburg. Nach langem Kampf endete die Partie schließlich remis, wobei Rustem zwischenzeitlich dem Sieg sehr nahe war.]

5...e6 6.Lg5 Sbd7 7.a5
[ Die Alternativen 7.e3 ; und 7.cxd5 werden häufiger als der Textzug gespielt]

7...Lb4
[ 7...h6 ist eigentlich der gebräuchlichste Zug an dieser Stelle, da Weiß sofort die Stellung seines Läufers bestimmen muss. Der Textzug ist indes ebensogut spielbar und führt oftmals lediglich zu einer Zugumstellung.]

8.Da4 Le7 9.e3 0-0 10.Db3
[ 10.Le2 h6 11.Lh4 b5 12.axb6 Sxb6 13.Da2 ( 13.Dxc6 Ld7 14.Db7 Tb8 15.Da7= ) 13...Sxc4 14.Lxc4 dxc4 15.0-0 mit Friedensschluss in Gustafsson-Dautov, GER ch Saarbrücken 2002. Eine mögliche Folge wäre: ( 15.Se5!? ; 15.Dxc4 a5!?~~ ) 15...Sd7 16.Lxe7 Dxe7 17.Dxc4 c5 18.d5 Sb6 19.De4 Td8 20.dxe6 Lxe6 mit ungefährem Ausgleich]

10...h6 11.Lf4
[ 11.Lh4!? ]

11...Sh5!
eine gute Reaktion! Auf diese Weise sichert sich Schwarz nämlich das Läuferpaar [ beim Weltcup setzte der vietnamesische Gegner des beannten holländischen Großmeisters Loek van Wely vor kurzem bedeutend schwächer fort ‹11...dxc4?! 12.Lxc4 Sd5 13.Lg3 b5 14.axb6 S7xb6 15.Le2 c5 16.0-0 cxd4 17.Sxd4 Lb7 18.Tfd1 Sxc3 19.bxc3 Dd5 20.Dxd5 Sxd5 21.Tdb1 Ta7 22.Tb3+/= van Wely-Nguyen Ngoc Truong Son, World Cup Khanty Mansyisk 2007]

12.cxd5?
in positioneller Hinsicht ist dieser Zug bereits eine ernste Ungenauigkeit, worauf Schwarz mit verschiedenen Fortsetzungen zu ordentlichem Spiel gelangen konnte [ >=12.Lg3 um die Spannung im Zentrum aufrechtzuerhalten]

12...exd5
Rustem entscheidet sich sofort für eine der sogenannten "Karlsbader Struktur" der Abtauschvariante des Damengambits ähnlichen Bauernstellung, wobei auch die Alternativen durchaus gut spielbar waren. [ 12...Sxf4!? 13.dxc6 ( 13.exf4 cxd5!? ( 13...exd5 14.Ld3 Ld6 15.Se2 Sf6 16.0-0~~ ) 14.Ld3 Sb8! 15.Se5 Sc6 16.Sxc6 bxc6 17.0-0 Dd6 18.g3 Tb8 19.Dc2 Db4 20.Se2 c5=/+ ) 13...Sxg2+ 14.Lxg2 bxc6<=> und Schwarz wird in absehbarer Zeit mit Tb8 und c6-c5 gutes Spiel erlangen ; 12...cxd5!? wäre ebenfalls nicht von der Hand zu weisen]

13.Lg3 Sxg3 14.hxg3 Sf6 15.Ld3 Ld6 16.0-0 Tb8 17.Dc2 Te8=/+
Die Eröffnung ist nun vorrüber und es ist für beide Seiten Zeit, sich über einen vernünftigen Plan Gedanken zu machen. Hierbei fällt vor allem auf, dass dies Schwarz deutlich leichter fällt als Weiß. Der Grund hierfür ist einfach: Der Bauer a5! Dieser Bauer neigt nicht nur gelegentlich zur Schwäche, sondern "verhindert" eben auch, dass Weiß zu dem ansonsten typischen Minoritätsangriff am Damenflügel mittels a4,b4 und b4-b5 und damit zur Linienöffnung und Schaffung einer Schwäche im schwarzen Lager kommt. Schwarz hingegen wird nach Abschluss seiner Entwicklung zu seinem für diesen Stellungstyp typischen Spiel am Königsflügel kommen. Eine bedeutende Rolle spielt hierbei nicht nur der Läüfer d6, der keinen Widerpart besitzt, sondern eben auch die Verdoppelung der weißen Bauern auf der g-Linie, welche eine für den weißen König gefährliche Linienöffnung mittels h5-h4 erlauben. Es ist daher Weiß, der genau spielen muss. Doch die nötige Sorgfalt lässt der junge Finne, wie zu sehen sein wird, missen.

18.Sd2?!
auch das ist bereits der falsche Weg! Der Springer sollte unbedingt auf f3 verweilen, um den eine schwarze Linienöffnung mittels h5-h4 zu erschweren. Am Damenflügel leistet der Springer jedenfalls deutlich weniger! [ der in diesen Stellungen oft typische Abtausch der weißfeldrigen Läufer ist hier nicht möglich: 18.Lf5? Lxf5 19.Dxf5 Lb4-/+ und Weiß verliert einfach einen Bauern; >=18.Tfb1 um den Bauern a5 gegebenfalls mittels b4 und Sa4-c5 unterstützen zu können]

18...Le6 19.Tfb1 De7 20.Sa4 Sd7 21.Sb3 h5!->
Schwarz hat seine Enwicklung bequem abgeschlossen und da sich sämtliche weiße Figuren am Damenflügel befinden, ist die Zeit zu aktiven Operationen am Damenflügel nun gekommen.

22.Sac5
[ >=22.Sbc5 Dautov 22...Sf8 23.Te1! war unbedingt erforderlich, um eventuell mittels e3-e4 der schwarzen Initiative entgegenwirken zu können]

22...Sf8 23.Sd2
ein spätes Eingeständnis für die Fehlerhaftigkeit der Überführung des Springers zum Damenflügel [ >=23.Te1! h4 24.gxh4 Dxh4 25.g3 Dh5 26.Le2 ( 26.Dd1 Lg4 27.Le2 Txe3!-/+ ) 26...Dg5 27.Kg2=/+ ]

23...h4 24.gxh4 Dxh4 25.Sf3 Dh5 26.Sxe6?!-/+
nach diesem unmotivierten Abtausch wird auch noch der schwarze Turm in den Angriff einbezogen. [ die relativ beste Chance bestand wohl im Bauernopfer 26.Se5!? Lxe5 27.dxe5 Dxe5 28.Ta4=/+ und zumindest hat Weiß einen starken Angreifer eliminiert und spielt auch noch mit, da sein ansonsten untätiger a-Turm ins Geschehen eingreifen kann.]

26...Txe6
Nun droht bereits verheerend Th6

27.Kf1[]
Was sonst?

27...Sg6 28.Sg1?
der entscheidende Fehler, des ohnehin in dieser Partie ungewohnt schwach agierenden jungen Finnen [ 28.Lxg6 Txg6 29.Ke2 Txg2 30.Tg1 Txg1 31.Txg1-/+ war vielleicht aus praktischer Sicht noch die beste Chance]

28...Dh1!-+
Natürlich! Nun ist die Partie gelaufen. Die Drohung Lh2 kostet bereits entscheidendes Material und der weiße König wird zudem über das Brett gescheucht.

29.Dd1
[ 29.g3 Tf6 30.Lxg6 ( 30.f4 Sxf4! 31.gxf4 Lxf4 32.exf4 Txf4+ 33.Df2 Txf2+ 34.Kxf2 Dh2+ 35.Kf1 ( 35.Kf3 f5! 36.Te1 ( 36.Lxf5 Tf8-+ ) 36...f4-+ ) 35...Te8 36.Te1 ( 36.Le2 Df4+ 37.Ke1 Dxd4-+ die Dame in Verbindung mit der Bauernarmada gewinnt angesichts der Schwäche des weißen Königs und der unkoordinierten weißen Figuren hier natürlich leicht. ) 36...Df4+ 37.Kg2 Txe1 38.Txe1 Dd2+-+ ) 30...Txg6 31.De2 Lxg3! 32.fxg3 ( 32.Df3 Dh6 33.Se2 Ld6 34.Ke1 Dh2-+ ) 32...Tf6+ 33.Ke1 Dxg1+ 34.Kd2 Dxg3-/+ ]

29...Lh2 30.Ke2 Txe3+!
Rustem entscheidet sich dafür die Partie im Angriff zu gewinnen. Die prosaische Lösung wäre allerdings ebenfalls ausreichend gewesen. [ =30...Sf4+ 31.Kd2 Sxd3 32.Kxd3 Dxg2 33.Df3 Dg6+ 34.Kd2 Tf6 35.De2 Ld6-+ ]

31.Kxe3
[ 31.fxe3 Dxg2+ 32.Ke1 Lg3# ]

31...Lf4+ 32.Ke2
[ zu einem wunderschönen Finale würde 32.Kf3 führen, nach welchem Schwarz sehenswert Mattsetzen würde 32...Dh5+ 33.g4 Dh1+ 34.Ke2 Te8+ 35.Le4 Txe4+ 36.Kd3 Txd4+! 37.Kxd4 De4+ 38.Kc5 ( 38.Kc3 Dc4# ) 38...Lb8! 39.De2 La7+ 40.Kd6 Df4+ 41.Kd7 Sf8+ 42.Ke7 Dc7+ 43.Ke8 Dd7# ]

32...Te8+ 33.Le4 Dxg2 34.Kd3 Dxf2
Schwarz besitzt bereits einen Stall voll Bauern und wird auch noch den weißen Läufer gewinnen, weswegen er materiell bereits klar in Front liegt. Aufgrund der Schutzlosigkeit des weißen Monarchen steht der Ausgang der Partie natürlich schon längst fest. Den Rest erledigt Rustem mit der ihm eigenen fachmännischen Präzision.

35.De1 dxe4+ 36.Kc4 Dg2 37.De2 Dg5 38.Kc3 c5 39.dxc5 Dxc5+ 40.Kb3 Tc8 41.Td1 Le3 42.Sh3 Se5
und aufgrund der völligen schwarzen Dominanz streckte Weiß die Waffen. Gegen die zahlreichen Drohungen wie Sc4 oder Sd3 wonach es dem weißen Monarchen schnell an den Kragen geht ist Weiß machtlos. 0-1



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