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21. September 2020

OSG Baden-Baden erneut deutscher Mannschaftsmeister in der Schachbundesliga

v.l.n.r.: Sven Noppes, Levon Aronian,
Arkadij Naiditsch, Richard Rapport, Maxime Vachier-Lagrave, Francisco Vallejo Pons, Jan Gustafsson,Fabiano Caruana (mit Pokal), Petra Jurga (2. Vorsitzende),Rustam Kazimdzhanov, Michael Adams, Patrick Bittner (1. Vorsitzender) Markus Schäfer (Schachbundesliga-Präsident), Etienne Bacrot

Sie spielten wie nach einem perfekten Krimi-Drehbuch, in dem es am Ende drei Helden gab: Die OSG-Spieler Francisco Vallejo Pons, Arkadij Naiditsch und Michael Adams.

Aber der Reihe nach:

Auch wenn alle acht Bretter einer Schachbundesligamannschaft gleich wichtig sind: diese drei stellten letztlich den 4,5: 3,5 Erfolg im Finale gegen den beinharten Gegner SC Viernheim sicher – und damit die vierzehnte deutsche Meisterschaft für die OSG Baden-Baden, vor Viernheim, Deizisau, Werder Bremen, SG Solingen, FC Bayern München, SF Berlin und Aachener SV.

Als wenn es das Drehbuch so vorgesehen hätte, teilten sich an den ersten vier Brettern acht Großmeister der Extraklasse recht zügig jeweils mit Remis die Punkte. Vizeweltmeister Fabiano Caruana für die OSG gegen  Shakhriyar Mamedyarov, Maxime Vachier-Lagrave auf Baden-Badener Seite gegen Vladimir MalakhovLevon Aronian an Baden-Badens dritter Position gegen Yuriy Kryvoruchko und der für Baden-Baden angetretene Richard Rapport gegen Anton Korobov  – sie alle konnten  glücklich sein, in dieser hochkarätigen Auseinandersetzung keine Niederlage kassiert zu haben. In keiner Partie war die Remisbreite überschritten worden.

Aber dann passierte es: Die Stellung von Etienne Bacrot wurde nach einem etwas umständlichen Dame-Manöver des OSG-Großmeisters in der Brettmitte zerfasert, es drohten unabwendbare Bauernverluste, 3:2 für Viernheim durch Sergey Fedorchuk. Zum Glück aus Baden-Badener Sicht gelang Francisco Vallejo Pons zügig der Ausgleich. Sein Gegenüber Bassem Amin hatte seine Dame ins Abseits manövriert, wo sie gefangen wurde. Ein Turm und drei Bauern waren zu wenig Gegenwert. Vallejo Pons machte kurzen Prozess und sprach dennoch selber von Glück: War Amin doch einem Remis durch eine mögliche Zugwiederholung ausgewichen.


Arkadij Naiditsch gegen Igor Kovalenko

Nun hing alles an den Partien von Micheal Adams und Arkadij Naiditsch. Adams hatte große Probleme. Arkadij sah es und wusste: „Ich muss gewinnen“. Er hatte einen Turm für einen Läufer Materialvorteil, die „Qualität“ also, aber Igor Kovalenko wehrte sich wie ein angeschlagener Boxer gegen die drohende Niederlage. Mit einem Hagel von Schachgeboten versuchte er, seinen Kontrahenten zu verwirren. Naiditsch musste höllisch aufpassen und geschickt ausweichen- und das alles in Sekundenschnelle, um nicht noch durch Zeitüberschreitung zu verlieren. Die Nerven der Anwesenden waren zum Zerreißen gespannt.  Und schließlich platze MannschaftskapitäK Sven Noppes das befreite „Jaaa“ heraus: Naiditsch hatte den entscheidenden K.O. gesetzt. Der Spieler „beruhigte“ die OSG-Anhänger noch nachträglich mit der Bemerkung, er sei sich seines Sieges sicher gewesen.

Unterdessen war es Adams zu seiner eigenen Verblüffung gelungen, noch in ein Remis zu entschlüpfen. Die Rechner zeigten jedem Hobbyspieler, dass sein Gegner Anton Guijar mehrere direkte Gewinnzüge ausgelassen hatte.

Alle drei „Helden“, Vallejo Pons (fünfeinhalb Punkte aus sechs Partien) Adams (sechs aus sieben) und Naiditsch (fünfeinhalb aus sechs) gehörten zu den Topscorern dieses Turniers.

Happy End für Baden-Baden in einem Sonderturnier über sieben Runden in fünf Tagen und mit acht Mannschaften auf Basis freiwilliger Teilnahme, das zur Ermittlung des deutschen Mannschaftsmeisters 2020 notwendig geworden war, weil die reguläre Bundeligasaison im März wegen der Covid 19-Pandemie abgebrochen werden musste. Mit dem damaligen Punktestand, also Baden-Baden an der Tabellenspitze, soll sie ab nächstem Frühjahr fortgesetzt werden – wenn „Corona“ es zulässt. Falls nicht, kann sich Mannschaftsführer Sven Noppes vorstellen, den für dieses Jahr gefunden Turniermodus neu aufzulegen. Der Verlauf des Turniers – mit großzügigem Platzangebot in der Gartenhalle des Karlsruher Kongresszentrums, trennenden Plexiglasscheiben mit Durchgriff-Öffnung zwischen den Spielern, Maskenpflicht auf den Gängen und anderen Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen, kurz, dem von allen akzeptierten Einhalten der  behördlichen Regeln – habe bewiesen, so Noppes, dass es auch unter solchen Bedingungen möglich sei, ein hochkarätig besetztes Mannschaftsschachturnier auszurichten. Schachbundesligapräsident Markus Schäfer fand bei der Siegerehrung höchst lobende Worte für die Ausrichter und Organisatoren des Events.

Patrick Bittner, erster Vorsitzender der OSG Baden-Baden, zeigte sich hocherfreut über die Spielfreude der Akteure. Nach monatelanger Zwangspause seien die Spieler „heiß“ darauf gewesen, wieder an die Bretter zurückkehren zu dürfen, und das habe man den Partien auch angemerkt. Ähnlich äußerten sich Fabiano Caruana, Arkadij Naiditsch und viele andere Spieler: Man sei froh, endlich wieder nicht nur online, sondern im direkten Gegenüber spielen zu können.

Zuschauer waren allerdings nicht zugelassen. Schachbegeisterte hatten aber die Möglichkeit, alle Partien live im Netz zu verfolgen, auch von Expertenkommentaren begleitet.

(Text und Fotos:Walter Siemon)